Suche

upon my poetree

Eigene Lyrik, Texte und Lieblingszitate

Kategorie

Kurzgeschichten

Darjeeling

„Geht es dir gut?“, fragte sie und sah ihr zu, wie sie an ihrer Teetasse nippte. Ihr starrer Blick, ziellos auf die hölzerne Tischplatte gerichtet, regte sich nicht, als sie antwortete. Ihre Stimme klang belegt. Sie hatte heute noch nicht viel gesprochen.
„Ich weiß“, sagte sie, „dass ich nicht alleine bin.“
„Natürlich bist du nicht alleine, Liebes.“
„Und einsam doch.“ Die Worte versiegten fast noch in ihrem Hals.
„Was? Wie meinst du das? Du bist doch nicht einsam.“
„Ich bin einsam. Doch das darf niemand wissen.“ Sie schwieg kurz und nippte wieder am Tee. Ihr Blick glitt aus dem Fenster, wo der Herbst das Laub wild über die Straße trieb.
„Wie paradox“, fuhr sie fort, „eine Frage nach der Rettung aus der Einsamkeit weißt die Menschen zurück.“ Entschlossen, oder eher mit ernstem Blick sah sie plötzlich ihre Freundin an und erhob die Stimme, als sie weiter sprach:
„Stark muss ich sein. Und Glücklich. Und Zufrieden. Und eigentlich ist ja sowieso alles egal und ich bin total im Reinen mit mir und brauche niemanden, um mein persönliches Happy End zu haben – was für ein Bullshit!“ Sie knallte die Tasse aus ihren Händen auf den Tisch. „Wie kann es denn sein, dass die Devise, um auf dem Schlachtfeld namens Singlemarkt nicht als ein armer Soldat zu fallen, jene ist, jegliche Zerbrechlichkeit, Schwäche und ja, vielleicht auch Bedürftigkeit zu verbergen? Und ich sage verbergen. Denn ich kann noch so viel Yoga machen und im Moment leben – die dunklen Abgründe meiner Seele werden niemals vollends verschwinden.“ Die letzten Worte ließen sie fast verstummen. „Das weiß ich. Meine Ängste, meine Sehnsüchte, meine Fehler. Sie sind ein Teil von mir. Doch das darf niemand wissen.“
Ihre Freundin wusste nicht, was sie antworten sollte. So stand diese auf und holte einen Lappen aus der Küche. Es war etwas Tee verschüttet worden.

Ein ganz normaler Tag – Teil I

Halli hallo, kurz ein paar Worte vorweg, in meinem Baumhaus lassen sich auch etwas längere Kurzgeschichten (ja genau) finden – diese werde ich in mehreren Teilen posten. Zum einen, weil die Beiträge sonst unglaublich lang wären, was auf der Startseite merkwürdig aussähe und zum anderen hast du dann einen Grund, immer wieder mal vorbeizuschauen 😉 (Was bin ich doch für ein Fuchs. Haha.)

Ein ganz normaler Tag

Der Wecker klingelt. Sechs Uhr. In einer einstudierten Bewegung recke ich mich aus der hintersten Ecke meines Bettes herüber, versuchend mit geschlossen Augen den Feind zum Schweigen zu bringen. Vergeblich.
Meine Augen wehren sich geradezu dagegen, mich einen Blick des neuen Tages erhaschen zulassen. Und würde nicht irgendwo aus meinem Hinterkopf der Gedanke an meinen Termin um halb neun immer näher an mein Bewusstsein kriechen, würde ich mich der Verweigerung widerstandslos hingeben.

Doch der Wecker klirrt noch immer in beeindruckender Intensität vor sich hin und mein nächster Schlag sitzt. Langsam regt sich auch Herr Faulheit neben mir, der mich noch immer fest im Bett hält, da er am gestrigen Abend trotz heftiger Diskussionen mal wieder nicht auf Frau Müdigkeit gehört hat. Indessen frage ich mich kurz, ob ich die Batterie aufheben sollte, die bei dem Aufprall des hochfrequenten Foltergeräts herausgesprungen ist, doch schnell entscheide ich, dass es wohl besser wäre, erst einmal in eine aufrechte Position zu gelangen.

Geschafft. Mit einem Schwung habe ich mich von Herr Faulheit losgerissen, die Beine über die Bettkante geschlagen und mich mit einer Eleganz, die man vermutlich erst auf den zweiten Blick erkennen würde, in die Vertikale befördert. Keine gute Idee, wie ich schnell feststellen muss, als mich prompt ein Anflug von Schwindel überfällt und mich schlagartig rücklinks auf die Matratze und in die offenen Arme von Herr Faulheit zurückwirft. Hoppla, denke ich und verweile einen Moment in der Position, die nur allzu verleitend zu ein paar weiteren winzigen Minütchen – Nein, jetzt aber Schluss mit dem Kinderkram. Mir bleiben grob geschätzt nur noch weniger als zweieinhalb Stunden abzüglich einer halben bis dreiviertel Stunde Autofahrt, bis meine Präsenz auf dem altbekannten Zahnarztstuhl erwartet, oder sagen wir besser, verlangt wird.

Dieser Gedanke trägt nicht gerade zu meiner unmittelbaren Motivation bei. Im Gegenteil, während ich von der scheinbar niemals müden Frau Pflichtbewusstsein über den Flur geschoben werde frage ich mich, ob es wohl irgendjemandem groß auffallen würde, wenn ich einfach nicht käme. Okay, dem Zahnarzt wahrscheinlich, oder nein, wenn überhaupt nur den Helferinnen. Das wäre nicht so tragisch. Würden sie wohl hier anrufen und fragen, warum ich nicht hingekommen bin?

Gerade als ich weiter über diese nicht gerade unfavorisierte Option des weiteren Tagesverlaufs nachdenken will, reißt mich ein erschreckender Anblick abrupt aus meinen Gedanken. Ich habe mich schon oft gefragt, warum wir einen Spiegel im Flur hängen haben. Jetzt wurde es mir wieder einmal klar. Offensichtlich dient er einzig und allein dazu, mir meine Laune noch um einiges zu verschlechtern. Denn nichts Anderes tut der Anblick meines zerknitterten Gesichts umgeben von einem undurchdringlich erscheinenden Wirrwarr aus Haaren. Na super, denke ich und beschleunige unmerklich meinen Gang ins Bad, wo meine gute alte Freundin, die Dusche, schon in Bereitschaft auf mich wartet.

Duschen ist schon eine tolle Erfindung, das stelle ich immer wieder fest. Nicht nur, dass die Tür verlässlich von Herr Entspannung bewacht wird, sodass mich weder Pflichtbewusstsein, noch sonst irgendwer belästigen kann, das warme Wasser wäscht mir außerdem den Schlaf aus Augen und Körper und vertreibt mit präziser Gründlichkeit die letzten nebligen Schleier, die meinen Kopf bis dahin vom klaren Denken abgehalten haben. Auch meine motorischen Fähigkeiten gewinnen augenblicklich an Qualität und Effizienz.

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑